Die Zukunft des V&E AöR
Die Neuregelung der Umsatzsteuer beschäftigt nicht nur Waltrop anhaltend. Durch die Kopplung der Besteuerung an die Körperschaftsteuer und das Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art, waren juristische Personen des öffentlichen Rechts bisher nur in wenigen Fällen umsatzsteuerpflichtig. Dies hat sich durch die Neuregelung in §2b UStG grundlegend geändert. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPdöR) sollen damit marktrelevante und privatrechtliche Leistungen nach den gleichen Grundsätzen erbringen wie andere Marktteilnehmer.
Durch das Corona-Steuerhilfegesetz hat es nochmals einen zeitlichen Aufschub geben, welcher nunmehr aber zum 31.12.2022 ausläuft. Allerdings ist das Thema nicht neu, denn die Änderung der Umsatzsteuerpflicht wurde bereits 2015 eingeführt.
Der Gesetzgeber definiert gleichzeitig auch die Ausnahme von der Umsatz-steuerpflicht. §2b UStG regelt als Ausnahmetatbestand die Umsatz-besteuerung der juristischen Person des öffentlichen Rechts beim Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Hierin hat der Gesetzgeber die Regelungen des Artikel 13 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie übernommen und vier Voraussetzungen definiert:
• Handeln einer jPdöR
• Ausübung einer ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit
• Fehlen größerer Wettbewerbsverzerrungen
• Ausschluss einer Katalogtätigkeit nach §2b Abs. 4 UStG.
Der Beginn, der mehr als ein halbes Jahr andauernden Diskussion um die Auflösung der V&E Waltrop AöR, liegt in der Annahme der Verwaltung, wie am 07.04. in der 13. Sitzung des Rates vorgetragen.
Auslöser zur Erstellung dieser Beschlussvorlage ist die Gesetzesänderung §2b UStG vom 02.11.2015 (01.01.2017/ 01.01.2023). Diese Vorschrift, die für die Stadt Waltrop spätestens ab dem 01.01.2023 Anwendung findet, hat zur Folge, dass die gegenseitigen Leistungsbeziehungen zwischen der Stadt Waltrop und der Ver- und Entsorgungsbetrieb Waltrop AöR der Umsatzsteuer unterliegen, soweit es sich nicht um rein hoheitliche Tätigkeiten handelt. Im Ergebnis führt die künftige Anwendung des UStG – bei ansonsten unveränderten Bedingungen auf Basis der Ergebnisse 2020 – zu einer Belastung des städtischen Haushaltes von rd. 350.000 €/Jahr. Entsprechende gutachterliche Untersuchungen wurden im Auftrag der Stadt Waltrop und der V&E Waltrop AöR von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Concunia GmbH (Anlage 1) angestellt. Die V&E Waltrop AöR hat darüber hinaus die PKF Fasselt Consulting GmbH (Anlage 2) beauftragt, die Folgen der Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand zu untersuchen.
Diese Annahme, wie sich in der Zwischenzeit herausgestellt hat, war faktisch falsch. Mit dem Wissen etwaiger Ausnahmen durch den Gesetzgerber selbst, wäre schon hier eine Diskussion mit anschließender Bewertung durch das Finanzamt hilfreich und kosteneffizient gewesen. Wie in gleicher Sitzung aufgeführt, bemängelte schon damals Herr Hemmerde das Vorgehen an sich, dass in den vorliegenden Unterlagen keine Bewertungsmatrix vorhanden war, oder dass keine Alternativvorschläge aufgeführt waren. Auch Herr Finke erläuterte, dass von allen kontaktierten Stellen gewarnt wurde, eine funktionierende AöR aufzulösen. Dies sei aufgrund von §2b UstG nicht erforderlich.
Ergebnis:
Das Finanzamt Recklinghausen hat in der Zwischenzeit verbindlich erklärt, dass die Leistungen der V&E Waltrop AöR auch künftig im Wesentlichen nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Somit ist der ursprüngliche Grund, einen Eigenbetrieb zu realisieren, um die Steuerlast auch künftig zu vermeiden, nichtig. Anders als propagiert, hat hier das Finanzamt sicher keine „Waltroper Lösung“ erarbeitet. Waltrop ist kein finanzbehördliches gallisches Dorf. Wir begrüßen die Aussagen von Herrn Mittelbach, dass die Verwaltung die AöR fortzusetzen empfehlen wird und Synergien zu optimieren (wie schon in der Vergangenheit erbeten, wäre eine Definition der Synergien und den daraus resultierenden Vorteilen, unter Benennung der profitierenden Anspruchsgruppen, wünschenswert).
Fazit:
Zu bemerken ist zunächst, dass das Ergebnis nach dem gesamten Verlauf als pures Glück bezeichnet werden darf. Ein Antrag zur Auflösung der V&E Waltrop AöR fand keine Mehrheit, lediglich der Patt hat zur Ablehnung geführt und Falschaussagen von Herrn Brück von Oertzen haben glücklicher Weise nicht das Gewicht gefunden, welches scheinbar angestrebt war. Die SPD erinnerte laut Zeitung daran, dass man den Eigenbetrieb ohnehin nicht ohne die Einbeziehung des Finanzamtes umgesetzt hätte, im Mindesten ist hier die Frage erlaubt, warum zuerst erhebliche Kosten produziert wurden und das Finanzamt erst als „letzte Instanz“ hinzugezogen wurde. Hinweise gab es ausreichend.
Ebenso darf die Frage gestellt sein, wie in Zukunft mit der Hinzuziehung rechtlicher Beratung umgegangen werden soll. Beispielsweise wurden mehrfache Hinweise und Anmerkungen von Herrn Hemmerde kategorisch ausgeschlossen. Nicht einmal die Annahme, dass eine andere Sicht relevant sein könnte, wurde zugelassen (ein Fehler, wie wir heute wissen). Eine zukünftige Zusammenarbeit sollte unter genannten Umständen geprüft werden.
Blicken wir nach vorne, wünschen wir uns in Zukunft mehr Transparenz und Handeln mit Bedacht. So können Kosten und später zu revidierende Verfahrensfehler, gleichermaßen vermieden werden.
Unsere Empfehlung für die nächsten Schritten zur Umsetzung der neuen Regelungen innerhalb der Verwaltung sind:
• Umfassende Leistungsanalyse zur Ermittlung der steuerrelevanten Leistungen
• Überprüfung und ggf. Anpassung der Satzung bezogen auf den 1.1.2023
• Prozessanalyse zum Erkennen von steuerlichen Risiken bei verwaltungs-internen Abläufen
• Sensibilisierung der Mitarbeiter auf allen Ebenen (Führungskräfte, Mitarbeiter in der Sachbearbeitung und im Finanzbereich)